Es ist der 26. August 2004. Ich sitze gemeinsam mit meinen damaligen Trainingskameradinnen Fanny und Annika Zimmermann sowie unseren Eltern auf dem Rasenvorplatz des Athens Olympic Sports Complex. Wir warten auf den Einlass zum größten Sportevent der Welt. Es sind meine ersten Olympischen Sommerspiele – die 28. Spiele der Neuzeit –, ich darf als Zuschauerin dabei sein. Mein erster Traum geht in Erfüllung.
15 Jahre und 2 Monate später laufe ich beim Mainova Frankfurt Marathon nach 2:27:26 Stunden über die Ziellinie und unterbiete die Qualifikationszeit für die 32. Olympischen Spiele um mehr als zwei Minuten. Meinem zweiten Traum, mich selber Olympionikin zu nennen, bin ich damit um einiges nähergekommen. Nach erfolgter Bestätigung nur drei Monate später in Osaka (Japan), mit wiederholter Normerfüllung (2:28:48 Stunden), standen die Zeichen auf grün. Mit ein bisschen Glück und bei guter Gesundheit sollte meiner zweiten Teilnahme am größten Sportevent der Welt nichts mehr im Wege stehen.
Es ist Montag, der 23. März dieses Jahres. Ich sitze mit meinem Mann beim Frühstück und aktualisiere gefühlt im Minutentakt meine Nachrichtenseite auf dem Handy. Die Stimmung ist angespannt, wir reden nicht viel. Jeder hängt seinen Gedanken nach. Was mich antreibt immer wieder meine Nachrichtenseite zu erneuern, obwohl ich schon weiß, was dort stehen wird, ist wohl der letzte Funke Hoffnung in mir. Das bereits Offensichtliche nicht wahrhaben zu wollen und nicht glauben zu können. Tokyo 2020, die Olympischen Spiele in diesem Jahr, die Spiele, die für viele Athleten zur Krönung ihrer Karriere auserkoren waren, mein Sportlertraum, werden nicht stattfinden. Wie viele andere Lebensträume, Veranstaltungen und Vorhaben fallen sie der Pandemie zum Opfer.
Doch es gibt einen Hoffnungsschimmer, die Spiele in das kommende Jahr zu verschieben. Eine geschichtliche Premiere, ein gewaltiger logistischer und finanzieller Akt. Man will das kaum Vorstellbare möglich machen. Für mich ist das eine Kampfansage auch an uns, die mit diesem ‚verschobenen‘ Ziel neue Kraft und Mut schöpfen können.Ich hatte mich emotional sehr schnell wieder gefangen und nutze seitdem jeden Tag, um leistungsstärker und schneller zu werden. Mein Traum besteht weiter. Denn aufgeschoben ist nicht aufgehoben!