Wer sein Lauftraining heutzutage weder mit Stretching noch mit Kraftübungen ergänzt, ist nicht nur verletzungsanfällig, sondern schränkt sich auch stark in seiner Leistungsfähigkeit ein. Besonders in der aktuell herausfordernden Zeit ist Ihre Gesundheit wichtiger denn je: Dabei bietet sich die bisher wettkampffreie Saison an, einige Lauftrainings gegen regenerationsfördernde Stretching-Workouts zu tauschen.
Unter Läufern gibt es kaum etwas, was mehr Gegensätze schafft als das Thema Dehnen. Für die einen ist es ein fester Trainingsbestandteil, wie der lange Dauerlauf am Wochenende. Für die anderen ist es unnötige Zeitverschwendung. Tatsächlich herrscht bei diesem Thema selbst in der Wissenschaft noch Uneinigkeit. Die Ergebnisse verschiedener Studien zum Dehnen widersprechen sich teilweise in ihren Ergebnissen zur Wirkung auf Muskellänge und Muskeltonus. Aber: Regelmäßiges Laufen ist eine enorme Belastung für Ihre Skelettmuskulatur. Die monotonen Bewegungsabläufe können Verspannungen, Muskelverkürzungen und muskuläre Dysbalancen verursachen.
Die meisten Läufer dehnen sich also, um diesen Problemen entgegenzuwirken und verspüren subjektiv Linderung. Horcht man in sich hinein, fühlen sich Muskeln und Gelenke nach einer Stretching-Einheit wesentlich beweglicher und geschmeidiger an. Ob Sie sich jetzt zukünftig regelmäßig dehnen, bleibt natürlich Ihnen selbst überlassen. Damit Ihnen das ergänzende Training aber auch wirklich etwas nutzt und Spaß macht, sollten Sie einige wichtige Grundsätze beachten.
Dehnen verbessert die Beweglichkeit, macht die Muskulatur geschmeidiger und wirkt kurzfristig gegen Verspannungen. Das behaupten zumindest die Verfechter des Stretchings. Ob in Fitnessstudios, in der eigenen Laufgruppe oder bei Online-Kursen: Das Dehnen als Cool-down nach einem Workout gehört zur Trainingseinheit dazu. Außerdem ist Ihr Laufstil wesentlich effizienter, wenn Sie sich regelmäßig dehnen: Denn die Streckung der Hüfte spielt in der Stützphase eine maßgebliche Rolle. Sind Sie beim Laufen nicht ausreichend gestreckt, nehmen Sie eine dem Sitzen ähnliche Position ein. Das Defizit an Hüft- und Kniestreckung ist nicht nur kräftezehrend, sondern begünstigt muskuläre Probleme. Ist der Hüftbeuger zu kurz, wird der Beinschwung nach hinten nicht freigegeben. Das Problem: Der Körper versucht, die fehlende Flexibilität des Hüftbeugers zu kompensieren. Soll der Unterschenkel also trotzdem weit nach hinten geschwungen werden, gibt Ihre Lendenwirbelsäule nach. Das äußert sich nicht nur durch ein Hohlkreuz und in Folge Rückenschmerzen, sondern auch durch eine verkürzte Schrittlänge. Durch konsequent und regelmäßig durchgeführte Dehnübungen stellen Sie die maximale Streckung Ihrer Hüfte wieder her.
Sie kennen es bestimmt: Unter Zeitdruck kommt das Stretching zu kurz oder wird gar nicht erst durchgeführt. Damit Sie solche Situationen zukünftig verhindern, sollten Sie eine Dehn-Routine entwickeln und diese als festen Bestandteil in Ihr Lauftraining integrieren. Das strukturiert nicht nur Ihren Trainingsplan, sondern spart Ihnen auch viel Stress. Schließlich wird diese Routine mit der Zeit zu einer Gewohnheit, die Sie beibehalten und ausführen, ohne groß darüber nachzudenken. Zudem profitiert Ihr Zeitmanagement, wenn Sie wissen, an welchen Tagen Sie nochmals 15 Minuten für eine Dehneinheit eingeplant haben. Länger sollte eine Stretching-Session auch nicht dauern – in einer Viertelstunde können Sie alle relevanten Muskeln des Bewegungsapparats dreimal für jeweils 30 Sekunden dehnen.
Ob Wade, Oberschenkel oder Gesäß – jeder Muskel in Ihrem Körper lässt sich in verschiedenen Positionen dehnen. Doch nicht nur bei der Auswahl der Stretching-Übungen haben Sie die Qual der Wahl. Sie müssen sich auch für eine von zwei Dehn-Methoden entscheiden. Denn beim Stretching unterscheidet man zwischen dem dynamischen und dem statischen Dehnen.
Während Sie sich beim statischen Dehnen einmal in die gewünschte Stretching-Position arbeiten und diese für 30 bis 45 Sekunden halten, führen Sie das dynamische Dehnen in federnden Bewegungen aus: Sie arbeiten sich so weit und intensiv wie möglich in die Dehnung hinein, halten die Spannung für eine kurze Zeit und kehren dann wieder in die Ausgangsposition zurück. Unmittelbar danach bewegen Sie sich erneut in die Dehnposition. So ermöglicht Ihnen das Wechselspiel zwischen Dehnungsanspannung und Entlastung mit jedem Durchgang eine stärkere Dehnung.
Beim Dehnen kommt es nicht nur auf die richtige Durchführung und die korrekte Technik, sondern vor allem auf den richtigen Zeitpunkt und die richtige Methode an. Im Rahmen Ihres Warmups sollten Sie sich dynamisch dehnen. Es lockert und wärmt Ihre Muskulatur nicht nur auf – dynamisch ausgeführte Stretching-Übungen aktivieren auch Ihre Muskeln.
Gerade bei explosiven Einheiten wie dem Intervalltraining ist es sinnvoll, Ihre Muskulatur nach einem kurzen Einlaufen zu dehnen. Starten Sie aber nicht gleich mit dem für Sie unangenehmsten Dehnungsreiz. Ruckartiges oder falsch ausgeführtes Dehnen kann muskuläre Schäden verursachen. Arbeiten Sie sich deshalb langsam und kontrolliert in die Dehnposition. Achten Sie auch darauf, sich nicht zu intensiv zu stretchen. Sollten Sie sich zu ausgiebig dehnen, nehmen Sie Ihrer Muskulatur die Spannung. Der fehlende Muskeltonus stellt jedoch gerade bei Tempo-Einheiten eine hohe Verletzungsgefahr dar. Denn je länger der Muskel, desto instabiler ist er. Seien Sie also vorsichtig, wenn Sie sich vor intensiven Läufen dehnen: Ihre Muskulatur benötigt eine hohe Grundspannung, um das hohe Tempo durchzuhalten.
Vor dem Laufen ist ein Stretching-Durchgang pro Muskel vollkommen ausreichend. Während Sie Ihre Muskulatur vor dem Training aufwärmen und aktivieren wollen, geht es beim Cool-down nach dem Laufen darum, zu entspannen. Bei einer Belastung steigt die Grundspannung des Muskels, um seine Leistungsfähigkeit zu erhöhen – der Muskel verkürzt sich. Sollten Sie das Dehnen konsequent vernachlässigen, drohen diese Muskelverkürzungen zu dauerhaften Verspannungen und Fehlhaltungen zu führen.
Durch ein gründliches Stretching können Sie dem jedoch entgegenwirken: Nach dem Laufen sollten Sie sich deshalb statisch dehnen. Schließlich halten Sie die Dehnung hierbei so lange, bis sich Ihre Muskeln komplett entspannt haben. Dabei können die verschiedenen Muskelgruppen über mehrere Durchgänge gedehnt werden. Zwischen den einzelnen Dehnpositionen sollten Sie jedoch immer wieder kurz innehalten und sich entspannen.
Ein häufiger Grund, weshalb sich Läufer nur unregelmäßig dehnen: Es ist langweilig. Zum Glück erlebt eine lange vergessene Lehre heutzutage ihre Renaissance: Yoga. Moderne Läufer haben Yoga für sich entdeckt, weil es Stretching, Beweglichkeits-und Krafttraining in einem anspruchsvollen und zugleich erholsamen Workout kombiniert. Unflexible Läufer sollten vor Yoga keineswegs zurückschrecken, denn je regelmäßiger Sie die Übungen durchführen, desto flexibler werden Sie natürlich auch.
Zum Einstieg können Sie einen Anfänger-Kurs im Internet anschauen. Danach sollten Sie sich die Übungen von einem erfahrenen Lehrer beibringen lassen. Ob Dehnprogramm oder Yoga: Wichtig ist, dass Sie diese Workouts in Ihren Trainingsplan integrieren. Schließlich ist das regelmäßig durchgeführte Alternativ-Training der Schlüssel zum Erfolg. Nur so können Sie Verletzungspausen präventiv verhindern und Ihre Leistung kontinuierlich steigern. Und Sie wissen ja: Nur wer beständig trainiert, kann sich fortlaufend verbessern.
Robin Siegert läuft seit 2013. Seinen ersten Marathon lief er ein Jahr später in Köln – seitdem versucht der ambitionierte Freizeitathlet seine persönlichen Bestleistungen auf allen Distanzen zu verbessern. Nach seiner Ausbildung zum Fachtrainer für Ausdauersport hat der gelernte Kommunikationswissenschaftler sein Hobby zum Beruf gemacht. Seitdem unterstützt er Läufer aller Leistungsniveaus nicht nur bei der Erreichung ihrer Ziele, sondern schreibt auf seinem Laufblog www.runnersfinest.de und als freier Redakteur auch über das Laufen, die Trainingslehre und über allgemeine Fitness-Themen.
Mit diesen sechs Übungen bleiben Läufer auf lange Sicht geschmeidig und fit. Absolvieren Sie sie zwei- bis dreimal wöchentlich nach dem Training oder an einem Ruhetag: In 15 Minuten können Sie jeden Muskel dreimal für jeweils 30 Sekunden dehnen.
DURCHFÜHRUNG: Aus einem weiten Ausfallschritt stützen Sie sich an einer Wand ab. Dabei zeigen beide Füße parallel nach vorne. Verlagern Sie Ihr Körpergewicht jetzt auf das vordere Bein, drücken Sie die Ferse des hinteren Beins in Richtung Boden und halten Sie den Kontakt. Strecken Sie nun das Knie des hinteren Beins, bis Sie eine Dehnung in der oberen Wade spüren.
DURCHFÜHRUNG: Stellen Sie sich aufrecht hin. Winkeln Sie Ihr Bein nun nach hinten ab. Umfassen Sie Ihren Knöchel mit einer Hand und ziehen Sie Ihr Bein zum Gesäß. So verstärken Sie den Dehnungsreiz. Wichtig: Die Hand umfasst das Sprunggelenk, nicht den Fuß.
DURCHFÜHRUNG: Aus einer aufrechten Standposition machen Sie einen
großen Schritt nach vorne. Legen Sie Ihr hinteres Bein nun auf Ihrem Knie ab.
Der Fuß liegt dabei flach auf dem Boden – die Fußspitze zeigt nach hinten.
Ihr vorderes Bein steht im rechten Winkel. Schieben Sie das Knie Ihres vorderen
Beins jetzt langsam nach vorne bis Sie einen Dehnreiz im Hüftbeuger Ihres
abgewinkelten Beins spüren.
DURCHFÜHRUNG: Stellen Sie sich schulterbreit auf. Gehen Sie jetzt so tief in die Hocke, dass Sie die Knie mit Ihren Ellenbogen behutsam nach außen drücken können. Achten Sie darauf, Ihren Rücken bei dieser Position gerade zu halten. Stellen Sie die Füße auf den Fersen ab.
DURCHFÜHRUNG: Legen Sie sich auf den Rücken. Ziehen Sie das zu dehnende Bein jetzt so nah wie möglich zum Oberkörper. Mit beiden Händen umfassen Sie Ihren rechten Oberschenkel unterhalb der Kniekehle. Strecken Sie Ihren Unterschenkel so weit nach oben, bis Sie einen Dehnreiz im hinteren Oberschenkel spüren.
DURCHFÜHRUNG: Setzen Sie sich mit ausgestreckten Beinen auf den Boden. Winkeln Sie nun ein Bein an und überkreuzen Sie damit Ihr ausgestrecktes Bein. Drehen Sie Ihren Oberkörper jetzt so, dass Sie mit Ihrem Arm einen leichten Druck auf das äußere Knie Ihres angewinkelten Beins ausüben können. Dadurch entsteht eine Dehnung im Gesäß.